, von Peter van Amelsvoort

Interview mit Angelika Zastrow an der NGC-DBS Schau in Hapert

FRAU ANGELIKA ZASTROW PREISRICHTERIN AUF DER JUNGVOGEL SCHAU 2022 DER NGC-DBS IN HAPERT NIEDERLANDE
Autor: Peter van Amelsvoort (Niederlande) 

 

Wir sind sehr glücklich und auch ein bisschen stolz, dass wir den ersten weiblichen Preisrichter auf unserer Jungvogelschau haben. Wir glauben in der NGC-DBS, dass wir zu wenig tun, um junge Menschen und Frauen für unser Hobby zu interessieren. Wir wollen das ändern. Wen kann Ich also besser befragen als eine Frau selbst. Unten ist daher ein Interview mit dieser sympathischen Dame von Heinsberg. Heinsberg ist 32 km südwestlich von Mönchengladbach und 35 km nördlich von Aachen und liegt in Nordrhein-Westfalen. Sowohl der niederländische Stadt Sittard als auch Roermond sind etwa zwanzig Kilometer entfernt. Nach Hapert ist es von Heinsberg etwas mehr als eine Stunde Fahrt. Die Schau der NGC findet dort schon seit Jahrzehnten statt und ist auch ein attraktiver Ort für belgische Mitglieder. Für die niederländischen Mitglieder aus dem Norden ist die Entfernung manchmal ein Argument, um nicht jedes Jahr mit ihren Vögeln dort hinzufahren. Nach einem Zeitraum von mehr als zwei Jahren, durch die Corona-Einschränkungen, ist diese Schau eine großartige Gelegenheit, die jungen Vögel von 2022 in der Öffentlichkeit zu zeigen.

 

Bitte stellen Sie sich den Lesern von der „Budgie- und Wellensittich-Magazin“ kurz vor.

Ich bin mittlerweile 58 Jahre (somit nicht mehr so jung 😊) und bin vor 2 Jahren mit meinem Mann von Düsseldorf nach Heinsberg in die Natur gezogen. Wir haben 2 Söhne im Alter von 24 und 28 Jahren, die im Großraum Aachen wohnen und dort studieren. Beruflich bin ich in der Versicherungsbranche im Vertrieb als Fachabteilungsreferentin tätig und betreue strategisch wichtige Makler. Außerdem kümmere mich um alle risikorelevanten Prozesse im Maklervertrieb, Projektarbeit und Digitalisierung, was mich sehr viel Freude bereitet.

 

Wie haben sie angefangen, von der Freizeitbeschäftigung, dann aktiv im Hobby, bis zu Preisrichterin?

Ich bin schon als Kind mit Wellensittichen groß geworden. Meine Eltern schwärmten für Harlekine und so hatte auch ich bald einen eigenen Farbwellensittich. Als ich später auf einer Schau in Niederrhein Grenzland die Schauwellensittiche kennen lernte, galt diesen meine Begeisterung. Meine Zuchtgenehmigung legte ich dann in Mettmann 1986 ab und bekam meine ersten WS von Heinz Küppers. Meinen Mann konnte ich ebenfalls begeistern und so züchten wir als ZG seit vielen Jahren gemeinsam. Schnell kamen weitere WS von Hubert Jansen und Jo Mannes hinzu, die seinerzeit die Grundlage für unsere Zucht bildeten. 1995 gelang mir der Aufstieg in die Champion Stufe und seit 2011 darf ich den Titel Ehren-Champion auf Lebenszeit tragen.
Durch mein spätes Studium musste ich 2012 die Zucht aus Zeitgründen aufgeben. Als ich mein Studium beendet hatte, war aber schnell klar, dass wir uns wieder dem Hobby widmen möchten und erwarben für unseren Neustart Vögel von Jo Mannes, Peter Otten, Uwe Effertz, Bodo Browarczyk und Claudia Ohneberg (A).
Ich wollte immer schon mehr über die Federstruktur, das Schauwesen und die Bewertung wissen, habe mich aber in jungen Jahren nicht an die Preisrichtertätigkeit gewagt. Somit habe ich mich immer als Helferin auf den Schauen eingebracht, insbesondere bei den Computereingaben. So gehöre ich seit über 20 Jahren zum Helfer Team bei der AZ Bundesschau, aber auch auf dem Europachampionat und der DSV Bundesschau. Mich als Preisrichterin zu bewerben, hatte ich mich als Frau dann aber doch nie getraut. Erst 2018, nachdem mehr Frauen in Erscheinung traten, habe ich mich dann um die Ausbildung zur Preisrichterin bei der AZ und Anfang 2019 auch bei der DSV beworben.
Ich wollte dann auch sowohl die Farb- als auch die Schau Wellensittiche richten dürfen, daher sowohl bei der AZ als auch bei der DSV.
Im Rahmen meiner Ausbildung durfte ich sehr viel von den amtierenden Preisrichtern lernen, hierunter waren auch Han Schrijver und Jac Cuyten, die ich als Scholarin auf einer Schau begleiten durfte.
Nebenbei kümmere ich mich ehrenamtlich um den DSV Service Punkt für die DSV Mitglieder und gehöre dem DSV Fachgremium an.
Ich bin sehr stolz auf die herzliche Aufnahme in den Kreis der Preisrichter, die mir nicht das Gefühl gegeben haben, als Frau anders behandelt zu werden.
Meine Leidenschaft gilt den Falben, Opalinen und Zimtern, aber auch Schecken gefallen mir sehr. Ein harmonischer und eleganter Wellensittich mit der nötigen Ausgewogenheit und der richtigen Feder, der sich auch noch präsentiert versprüht einen Charme, der mich in jedem Farbschlag begeistern kann.

 

Welche Herausforderungen und Unebenheiten haben Sie auf dem Weg getroffen?

Besonders hat mich schon immer die Feder der Wellensittiche herausgefordert, hier konnte ich von Reinhold Hessel einiges lernen, was meines Erachtens neben der Vererbungslehre eine sehr wichtige Rolle spielt.

Besonders angetan haben es mir die Falben, deren Verbesserung ich mich widmen möchte, aber das ist eine besondere Herausforderung, wie ich finde.

Manchmal muss man auch Rückschläge verkraften können und darf sich nicht von schlechten Zuchtjahren deprimieren lassen.

 

Sie waren zuvor in einer Schau der NGC, wenn ich mich gut erinnere, waren Sie damals noch in der Ausbildung zum Preisrichter. Was war Ihr Eindruck der Organisation und der Qualität der Vögel?

Richtig, ich durfte im September 2019 Bodo Browarczyk als Scholarin begleiten, daran erinnere ich mich noch sehr gut. Es war ein sehr harmonisches Miteinander und Wim Hattink hat mir seinerzeit sofort eine Kurzeinweisung in besonders zu beachtende Punkten gegeben, das fand ich sehr nett und kollegial, aber so habe ich eigentlich alle in Hapert erlebt. Die Qualität war hervorragend und sehr beeindruckend.

 

Auf Facebook sind viele Frauen aktiv, die dann in der Regel die kleine Farbwellensittiche und notwendigen Fragen über die Pflege der Vögel haben. Ist dies eine potenzielle Zielgruppe, könnte die einen Schritt zu der Haltung von Standard-Wellensittiche machen?

Die Zucht der Farb Wellensittiche hat in den letzten Jahren insgesamt große Begeisterung und viele neue Züchter in unser Hobby gebracht, die meist etwas jünger als die Schau Wellensittich Züchter sind.

Auch erkenne ich, dass der Anteil der weiblichen Züchter bei den Farb WS einen größeren Anteil einnimmt, insbesondere auch bei den Haltern. Allerdings glaube ich ehrlich gesagt nicht, dass dies eine Besonderheit der Farbwellensittich ist, vielmehr halte ich es für wahrscheinlich, dass hier das Geld ein Kriterium darstellt.

Im Bereich der Schau WS Züchter muss ich auch sagen, dass es sich immer noch um eine Männerdomäne handelt, auch wenn in den letzten Jahren einige weibliche Züchter hinzugekommen sind.

Als potenzielle Zielgruppe würde ich alle Farb WS Züchter und Züchterinnen sehen, die unser Hobby bereichern.

 

Welche Tipps und Ratschläge haben Sie für uns und was möchten Sie Frauen sagen die Zweifel haben, ob sie in einem dominanten Männer Hobby aktiv werden wollen?

Zunächst freue ich mich sehr und bin auch ein wenig stolz, als erste Frau vom NGC zum Richten der Jungvogelschau eingeladen worden zu sein. Vielen Dank dafür.

Während meiner Ausbildung zur Preisrichterin waren alle sehr freundlich zu mir und haben mir bereitwillig einen Einblick in ihre Richtarbeit und auch in ihre persönlichen Einstellungen zur Bewertung gegeben. Hier hatte ich so gar nicht den Eindruck, dass man mich belächelt oder mich nicht erst nimmt, was ich zunächst ein wenig befürchtet hatte.

Bisher fehlt mir allerdings noch die Erfahrung, welche Kritik mir als Preisrichterin begegnen wird, wenn ich die ersten Schauen gerichtet habe, hierzu kann ich noch nicht viel sagen. Aus meiner Erfahrung heraus kann ich aber berichten, dass auch Männer, die gerade erst Preisrichter geworden sind, sehr genau beobachtet werden und bei schwierigen Entscheidungen kritisiert werden.

Ich bin der Überzeugung, dass die Frauen eine bessere Akzeptanz haben als dies noch vor 20 Jahren der Fall gewesen ist – die Zeiten haben sich glücklicherweise geändert.

Allen Frauen, die sich für die Ausbildung zur Preisrichterin interessieren, kann ich nur Mut machen, ich wurde bisher sehr herzlich aufgenommen.

Wer sich ernsthaft für das Hobby interessiert und sich mit Vererbungslehre, Schaurichtlinien, Bewertung der WS und dem ganzen drumherum gerne beschäftigen möchte, der ist hier genau richtig, egal ob man eine Frau ist, oder nicht.

Ich bin auch nicht die einzige Frau unter den Preisrichtern – in Deutschland gibt es ja mittlerweile schon mehrere Preisrichterinnen.

 

Im zweiten Teil dieses Interviews mit Angelika Zastrow äußert sie ihre Meinung zur Jungvogelschau 2022 in Hapert (Niederlande). Sie beantwortet nuanciert das Experiment, um vollere Farbklassen zu bekommen und die Diskussion von Grenzfällen zu vermeiden.

 

Sie sind jetzt kein Scholarin mehr, sondern einen qualifizierten Preisrichter. Was sind Ihre Erfahrungen an diesem Tag?

Es ist schon etwas anderes selbst für die Entscheidung verantwortlich zu sein und die Vögel gerecht zu bewerten. Jeder Züchter ist stolz auf seinen Zuchterfolg und hofft möglichst weit vorne zu liegen.

Für mich ist es wichtig, wertschätzend auf die Leistung zu blicken und den Vögeln die Gelegenheit zu geben, sich zu präsentieren.

Auf dieser Schau empfand ich die Verantwortung besonders groß, da die Entwicklungsstufen der Vögel so unterschiedlich waren. Jedem Vogel gerecht zu werden ist oft sehr schwierig.

 

Welche Farbklassen haben Sie gerichtet und wie war die durchschnittliche Qualität und welche Vögel stachen heraus?

Ich durfte die Grünreihe bewerten - Hellgrün, Dunkelgrün, Graugrün Oliv sowie Hellflügel.

Die Qualität der Vögel war sehr gut und eine Freude anzuschauen. Es waren einige beeindruckende Vögel dabei, bei denen die Siegervögel wirklich herausstachen. Einige Babys haben noch sehr großes Potenzial und ich bin gespannt, wie sie sich entwickeln werden.

 

Vor Corona hatten wir zwei Gruppen, Vogel vor der Mauser (Baby, komplett im Federkleid) und Vögel in und nach der Mauser. Dies führte zu der notwendigen Diskussion in Bezug auf Grenzfälle und auch Vögel, denen die falsche Klassenanmerkung gegeben wurde. Als Organisation möchten Sie letzteres so weit wie möglich verhindern. Es ist aber auch schwierig, ein Baby mit einem fast erwachsenen Vogel zu vergleichen. Wie gehen Sie damit um?

Schön, dass du danach fragst. Das empfand ich als größte Herausforderung bei der Schau und ich fühlte mich nach der Bewertung hin und hergerissen. Einerseits möchte man den Babys eine Chance geben und versucht das Potenzial, das sie mitbringen zu bewerten. Andererseits können sie mit einem durchgemauserten Vogel eigentlich nicht mithalten, insbesondere was die Kondition über eine längere Zeit betrifft. Bei den in und nach der Mauser befindlichen Vögeln war es ähnlich schwer, da sehr viele Schwingenprobleme hatten, die in der Bewertung berücksichtigt werden müssen, hier sind dann wieder die Babys im Vorteil. Ein gesundes und gerechtes Gleichgewicht zu finden ist extrem schwer und ich denke, dass hier die Momentaufnahme während des Richtens besondere Bedeutung hat, für den Züchter nach der Schau aber teilweise nicht nachvollziehbar sein wird. Wenn ich euch richtig verstanden habe, dann ist es ein Versuch die Vögel gemeinsam zu bewerten, da viele Züchter mit den bisherigen Entscheidungen unglücklich waren. Ich bin sehr gespannt, ob das gelingt - ich persönlich würde die Babys lieber alleine richten.

 

Welche eklatanten Unterschiede gibt es zwischen der deutschen und der niederländischen Art von Richten der Vögel? Ich denke dabei unter anderem an Aspekte wie individuelle Freiheit und Entscheidungskompetenz des Richters, Teamarbeit, gegenseitige Abstimmung.

In Deutschland haben wir mehrere Vereine mit jeweils eigenem Standard und Bewertungsgrundsätzen – einheitliche Bewertungskriterien würde ich mir da sehr wünschen, auch wenn die Abweichungen nicht eklatant sind. Ein sehr komplexes Regelwerk mit vielen verschiedenen Abzugspunkten bildet die Grundlage für die Bewertung in Deutschland, die dazu verleitet den Blick mehr auf die Fehler als auf die Schönheit der Vögel zu richten. Wie ich während meiner Scholartätigkeit feststellen konnte, hat jeder Preisrichter seinen eigenen Stil, damit umzugehen.

Die individuelle Freiheit der NGC gefällt mir sehr gut, es sind nur wenige Punktabzüge vorgegeben, sodass die Entscheidungskompetenz des Richters größer ist. Das halte ich auch für den richtigen Weg – den Gesamteindruck des Vogels zunächst wirken zu lassen und dann auf grobe Fehler achten, die berücksichtigt werden müssen. Viele Preisrichter in Deutschland gehen aber auch genauso in Ihrem Richten vor und schauen dann auf grobe Fehler.

Die Teamarbeit fand ich sehr angenehm und den Grundsatz einen Vogel von der Bewertung auszuschließen, immer durch eine zweite Meinung absichern zu lassen, finde ich den Züchtern gegenüber sehr fair.

 

Wie haben Sie die Erklärung der Richtlinien, der Rundgang durch die Halle und die Einweisung im Vorfeld erlebt?

Ich wurde herzlich begrüßt und sehr kollegial aufgenommen. Als die Phase des Einlieferns abgeschlossen war, haben alle Preisrichter gemeinsam einen Rundgang durch die Reihen gemacht und auch den ein oder anderen Vogel oder Fragestellungen vorbesprochen, wenn es Auffälligkeiten gab.

Ich habe sowohl die Einführung als auch die gesamte Richtarbeit im Team sehr angenehm empfunden und geschätzt.

 

Vor ein paar Jahren war ich auf einer Taubenveranstaltung in Kassel, die Eintrittspreise sind dort nicht gering, wenn man mit der ganzen Familie dorthin möchte. Jugendliche und Frauen hatten freien Eintritt. Was halten Sie von positiver Diskriminierung?

Grundsätzlich finde ich den Ansatz gut, aber eher aus dem Grund, dass meist die Männer das Hobby betreiben und die Familie dann zu den Veranstaltungen als Begleitung mitreisen muss.

Vergünstigungen zur positiven Diskriminierung finde ich hier jedoch den falschen Ansatz. Was ist denn mit den Herren, die so Wellensittich verrückte Frauen wie mich begleiten? Die werden dann diskriminiert und müssen den vollen Preis bezahlen?

Nein im Ernst, um das Hobby zu stärken finde ich vergünstigte Familieneintrittskarten eine super Idee, aber nicht aus dem o.g. Grund, sondern um das Hobby zu stärken und gerade den Kindern den Weg zum Hobby nahe zu bringen.

 

Vielen Dank für Ihre Mitarbeit bei diesem Interview und Ihren Beitrag zu dieser Jungvogelschau. Der Vorstand des NGC freut sich sehr, dass Sie der Einladung gefolgt sind.